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Aktuelles

Auffinden sterblicher Überreste in den Karpaten

  • Erstellt von Dr. Marcin Czarnowicz

In den ersten Monaten des Jahres 1915 wurden tausende Soldaten beider Seiten bei Kämpfen um die Karpatenpässe getötet. Viele von ihnen sind in namenlosen Gräbern des ehemaligen Kriegsschauplatzes bestattet. In den Wäldern in der Nähe von Komańcza im Südosten Polens findet man noch Reste der Schlachtfelder - von den Soldaten ausgehobene Schützengräben, Wohnhöhlen als Unterschlupf sowie Begräbnisstätten für die Gefallenen. Ein Team von Archäologen des Instituts für Archäologie der Jagiellonen-Universität Krakau sucht seit fünf Jahren nach solchen Orten.

Bislang sind die Positionen dokumentiert, die die 2. Infanterie Truppendivision im Januar 1915 in der Nähe von Jaśliska besetzt hatten. Im Jahr 2020 wurde das Forschungsgebiet jedoch verlegt. Zusammen mit Interessierten der lokalen Geschichte wurde beschlossen, mit Arbeiten zu beginnen, die darauf abzielen, vergessene Kriegsfriedhöfe in der Nähe von Łupków zu finden. Die restlichen Archivdaten, auf die die Heimatforscher stießen, ermöglichten die Auswahl der Forschungsstätten. Beide Friedhöfe sollten sich am Fuße kleiner Hügel befinden, auf denen einst die orthodoxen Lemko-Kirchen standen. Der erste dieser Orte war der orthodoxe Friedhofshügel in Łupków, welcher in keinem Archiv erwähnt wird. Der Friedhof wurde von Edward Orłowski, einem Förster, der Vergessenheit entrissen. Anfang der 1990er Jahre gab ihm eine Person, deren Familienangehörige auf dem religiösen Friedhof der Kirche Łupków begraben liegen, zu verstehen, dass es südlich der zivilen Begräbnisstätten einen Kriegerfriedhof gegeben haben soll. Da es sich zu diesem Zeitpunkt um den Jahresanfang handelte und das Gras noch nicht gewachsen war, konnten die Umrisse der Gräber oberirdisch lokalisiert werden. Herr Orłowski entwarf einen entsprechenden Friedhofsplan. Beim zweiten Platz war es anders. In Zubeńsko, einem Dorf etwa zwei Kilometer von Łupków entfernt, sollte es auch einen Friedhof geben. Grzegorz Gąska fand eine diesbezügliche Spur in den Archiven. Der Friedhof, datiert auf Januar 1917, wurde gefunden. Es gibt auch eine Liste der in Zubeńsko Verstorbenen, darunter scheinen mehr als 50 Namen aus dem IR 74, Soldaten tschechischer Nationalität, auf, die während der Kämpfe im März 1915 ihr Leben ließen.

Die Arbeit begann mit der Analyse von Laserscan-Bildern und der Durchführung von Georadar-Vermessungen. Außerdem wurde mit Hilfe einer Drohne ein digitales Geländemodell erstellt. Dies half bei der genauen Lokalisierung der Ausgrabungen. Im Fall von Łupków wurden zwei große Kreise sichtbar. Sie waren sowohl auf dem LIDAR als auch auf dem digitalen Geländemodell sehr deutlich sichtbar. Diese Erkenntnis deckte sich mit den Anmerkungen von Herrn Orłowski. Leider hat die Geo-Radar-Forschung zu diesem Zeitpunkt keine überzeugenden Ergebnisse erbracht. Der Grund dafür liegt darin, dass das Friedhofsgelände, wie sich später herausstellte, von österreichischer Artillerie beschossen wurde. Zwischen den Gräbern konnten die Spuren des Beschusses, wie Schrapnell- oder Kugelfragmente, gefunden werden. Der Beschuss verursachte eine Verletzung der Erdstruktur und störte infolgedessen das Georadarbild. In Zubeńsko konnte nach der Mahd des Arbeitsbereichs festgestellt werden, dass das Friedhofsareal halbkreisförmig ist, entsprechend den Umrissen der Gräber, die auf dem Archivplan zu sehen sind. Dieses Bild erschien sowohl auf dem LIDAR als auch auf dem digitalen Geländemodell noch deutlicher. Die Existenz halbkreisförmiger unterirdischer Anomalien wurde hier durch das GPR bestätigt. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wurde ein bestimmter Ort für die Ausgrabungsforschung ausgewählt.

Die Feldarbeiten wurden zwischen 20. Juli und 8. August 2020 durchgeführt. An ihnen nahmen Mitarbeiter und Studenten des Instituts für Archäologie der Jagiellonen-Universität sowie Freiwillige teil. Dem Beginn der Ausgrabungsarbeiten ging die Erkundung der Stätte mit Metalldetektoren voraus. Dank des oben Gesagten war es möglich, Informationen über den Artilleriebeschuss der orthodoxen Kirche in Łupków zu erhalten, während sich in Zubeńsko herausstellte, dass sich die österreichisch-ungarischen Einheiten auf dem Kirchhügel verteidigten. Die Soldaten waren durch eine Steinmauer rund um die Kirche und nicht durch einen Schützengraben vor dem feindlichen Feuer geschützt. Zwischen den Steinen der Mauer wurden russische Gewehrkugeln gefunden, während eine beträchtliche Menge von Patronenhülsen des Manlicher-Systems im Boden lagerte.

Ausgrabungen führten zum Auffinden der Grabstätten der gefallenen Soldaten. Die Anordnung der Gräber bestätigte frühere Befunde. In Łupków war es möglich, ein Viertel des westlichen Teiles zu lokalisieren und zu untersuchen. Die Toten ruhen in zwei ovalen Gräbern - dem inneren und dem äußeren. In dem untersuchten Teilbereich wurden insgesamt sterbliche Überreste von 13 bis 14 Bestatteten freigelegt. Die Analyse des beigezogenen Anthropologen half dabei, das Alter der Soldaten zu bestimmen und sich über die Todesursachen zu vergewissern. Einer der Verschütteten starb wahrscheinlich an den Folgen einer Schusswunde am Kopf, ein anderer erhielt zahlreiche Schrapnelltreffer in die Beine. Es wurde auch ein Opfer einer Granatenexplosion gefunden, das zahlreiche Schrapnellfragmente in seiner Brust trug. Unter den in den Gräbern gefundenen Gegenständen sind zahlreiche orthodoxe Kreuze und Taschenmesser erwähnenswert. Es wurden auch Teile der Ausrüstung der Soldaten gefunden, darunter Schnallen vom Rucksack der Zarensoldaten und Fragmente des Gurtzeugs. Wie sich in Zubeńsko herausstellte, war die Anordnung der Gräber sehr klar. Nach dem zuvor gefundenen Plan ruhten die Toten in vier halbkreisförmigen Gräbern, die durch kleine Wege getrennt waren. Die im ersten Halbkreis gefundenen Gegenstände weisen darauf hin, dass dort nur österreichisch-ungarische Soldaten begraben waren, u. a. wurden Fragmente des Materials mit der Regimentsfarbe gefunden, die auf das IR 74 hindeuten. An einer anderen Stelle desselben Grabes wurden Reste von rotem Material entdeckt, bei denen es sich um Überbleibsel einer Uniformhose handelt. In den verbliebenen Gräbern ruhen Gefallene beider kämpfenden Parteien. In dem äußeren Grab wurde eine sehr interessante Entdeckung gemacht. Einer der Verschütteten hatte noch einen Gürtel mit einem Bajonett und einem Schaufelrahmen bei sich, aber die Schnalle wurde bei der ersten Beerdigung abgenommen. Der wertvollste Fund war zweifelsohne eine Brieftasche, die einem der Vergrabenen gehörte. In dieser wurde nicht nur Geld, sondern auch eine militärische Dekoration gefunden, es scheint, dass sie auch Dokumente enthalten könnte. Das Objekt wird derzeit konservatorisch bearbeitet, wodurch, wie wir hoffen, die restlichen Funde zugeordnet werden können. 

Die archäologische Forschung hat nicht nur Informationen über die Anlage der Friedhöfe gebracht, dank derer sie präzise wiederaufgebaut werden können, sondern hat auch viele interessante Aspekte des Soldatenlebens und technische Aspekte der Organisation von Soldatenfriedhöfen aufgezeigt. In beiden Fällen waren die Gräber relativ schmal. Sie waren etwa 1,5 m breit. Die Verstorbenen, für die es vermutlich bereits die zweite Ruhestätte war, wurden entweder auf Bahren, Zeltplatten oder großen Materialresten in die Grabstätte befördert. Diese Annahme wird durch die Vermischung und Anordnung der sterblichen Überreste verdeutlicht. Im Fall von Łupków wurden die Soldaten wahrscheinlich von zwei kleinen provisorischen Friedhöfen, die ursprünglich direkt neben dem Bahnhof angelegt wurden, zum jetzigen Bestattungsort gebracht, während in Zubeńsko die Gefallenen, die in den erbitterten Kämpfen der ersten Monate des Jahres 1915 um den Kirchhügel gekämpft hatten, an Ort und Stelle begraben wurden. Wir hoffen, dass unsere Arbeit und die daraus resultierenden Ergebnisse die Grundlage für das Projekt zum Wiederaufbau und zur Wiederherstellung der Friedhöfe und zum Gedenken an die bei den Winterkämpfen in den Karpaten getöteten Soldaten bilden wird. 

 

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Massengrab der russischen Soldaten in Łupków
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Erforderliche Dokumentation der kleinsten Details
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Beschwerliche Grabungsarbeiten in Zubeńsko
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Erst ein Teil der Grabstätten der österreichisch-ungarischen Soldaten in Zubeńsko ist freigelegt.